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Hessen ist nicht der Apfelweinnabel der Welt

Friedberg-Ockstadt (ihm). Dass es in den USA Apfelwein gibt, war Norman Groh und Eduardo Vazquez-Coto zunächst
nicht bewusst. Als sie davon erfuhren, machten sie sich auf den Weg in die Staaten, um sich in Sachen »Apple Cider«
schlau zu machen. Von ihrer Reise brachten sie kürzlich zwölf Flaschen mit.
Diese Flaschen öffneten sie jetzt mit Freunden aus Großbritannien und Australien. Ort
war die Edelobstbrennerei Weidmann & Groh in Ockstadt, die Groh und sein
Schwiegervater Reiner Weidmann betreiben. Wie sich bei der Verkostung zeigte, gibt es
eine Apfelweinkultur jenseits des Blauen Bocks, zum Beispiel im World Wide Web.
Eduardo Vazquez-Coto stammt aus Asturien (Nordspanien). »Wir trinken mehr
Apfelwein als Wasser«, erzählt er. Als er nach Frankfurt zog, fühlte er sich darum gleich
wie Zuhause. »Asturien ist ein Apfelweinland. Aber es weiß in Spanien niemand, dass es
in Frankfurt diese Apfelweinkultur gibt.« Auch Coady Buckley lebt in der Mainmetropole.
Zunächst fühlte er sich nicht sehr glücklich mit seinem Leben in der Bundesrepublik,
hatte Heimweh nach seinem Herkunftsland Australien. Um eine Bindung zu Deutschland
herzustellen, machte er sich gezielt mit Sitten und Bräuchen bekannt, begann, sich
näher mit Apfelwein zu befassen.

Mittlerweile ist Coady Buckley ein echter Kenner, schreibt für einen Blog (»Apfelwein
Blog«), in dem er Weine vorstellt und bewertet, so wie auch Vazquez-Coto im Blog »Cider Guerilla« und Nick Morris im »Cider
Blog«. »Es ist ein Hobby«, sagt Morris, der aus Bristol kommt. In seinem Blog stellt er Produzenten vor, verkostet das
Getränk, postet Bilder und schreibt, was er davon hält. 300 verschiedene Produkte präsentierte er bereits, die meisten aus
Großbritannien, aber auch internationaler Herkunft. Morris hat einen Freund aus Bristol nach Ockstadt mitgebracht, Song
Shen, der ebenfalls gern Apfelwein trinkt: »Ich mag den Geschmack, es ist erfrischend.«
Gespannt probiert die Runde die Weine, die Groh und Vazquez-Coto aus Amerika mit nach Hause nahmen. Die Bewertung
fällt durchaus unterschiedlich aus. »Wie Wasser, hat nicht viel Geschmack und ist nicht stark«, ist Morris von der einen Sorte
nicht überzeugt, während er und Song Shen einen »Cider Rosé« sehr loben: »Sehr fruchtig, wirklich nett, ein
Sommergetränk.«

Wie Inhaber Reiner Weidmann erzählt, führen Groh und er in ihrem Ockstädter Laden verschiedene Apfelweine, zudem
Edelobstbrände und seit neuestem Whisky. Ihre Produkte exportieren sie auch in andere Länder, sind momentan dabei, in
den USA Fuß zu fassen. Bei der Reise dorthin nahmen Groh und Vazquez-Coto an einer »Apple Cider Competition« teil,
gewannen zwei Medaillen mit Ockstädter Apfelwein und besuchten auch interessante Keltereien. »In den USA wurden zur Zeit
der Prohibition Apfelbäume gerodet«, schildert Groh.

Ziel sei gewesen, die heimliche Produktion von »Apple Cider« zu unterbinden. Wirklich alte Sorten gebe es dort darum nicht,
Apfelwein erlebe zurzeit eine Renaissance: »Jede Kelterei verbucht 100 Prozent mehr Umsatz pro Jahr.« Hessen sei nicht, wie
manch ein Deutscher vielleicht denke, der Apfelweinnabel der Welt. Am meisten werde in England Apfelwein getrunken, auch
in Asturien sei der Konsum mit 45 Litern pro Kopf im Jahr hoch. »In Frankfurt sind es 40.« Wer hätte das gedacht?

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